Rezension/ review “Hinter den Wällen der Festungsstadt”

Michael Viktořík, Hinter den Wällen der Festungsstadt. Ein Beitrag zum Alltagsleben, Organisation und Einrichtung der Festungsstadt im 19. Jahrhundert (am Beispiel der Festung Olmütz) ( České Budějovice 2018)

188 Seiten, zahlreiche Farb und SW-Abbildungen; hart gebunden;
Sprache: deutsch (mit englischer und tschechischer Zusammenfassung)
Verlag: Bohumír Nemec – Veduta, České Budějovice
ISBN 978-80-88030-28-7
Preis: ca. 10-20€ im Onlinebuchhandel

Michael Viktořík, renommiertes Mitglied der Österreichischen Gesellschaft für Festungsforschung, legt mit dieser Untersuchung der Festung Olmütz (Olomouc) die Ergebnisse eines von der Grantagenatur der Tschechischen Republik (GA ČR) geförderten Projekts zur „Festungsstadt im 19. Jahrhundert“ vor. Olmütz gehört, wiewohl es zu den am besten erhaltenen Festungen der ehemaligen österreichischen Monarchie zählt, zu den eher vergessenen fortifikatorischen Anlagen. Bekannt ist zumeist nur, dass Joseph Wenzel Graf Radetzky von Radetz von 1829 bis 1831 der wohl prominenteste Kommandant der Festung gewesen war, sonst aber hält sich das Wissen um Olmütz eher in Grenzen. Ganz zu Unrecht, denn Olmütz bietet neben den namhaften Resten seiner mittelalterlichen und barocken Fortifikationen im engeren Stadtbereich auch eine in ihrer Konzeption sehr homogene und gut erhaltene Gürtelfestung.

Seit die Militärgeschichte die Garnisonsstadt als Forschungsobjekt entdeckt hat, ist es nur logisch, sich auch der Festung als Sonderfall einer solchen zuzuwenden. Dies vor allem deswegen, weil in einer Festungsstadt die Präsenz des Militärs eine ungleich intensivere war und durch militärische Restriktionen — etwa Bauverbotsrayone — erhebliche soziale und ökonomische Wechselwirkungen auftraten. Viktoříks Ansatz ist ein umfassender, der weit über die rein deskriptive Analyse der fortifikatorischen Elemente hinausgeht und so den Anforderungen moderner Fortifikationsgeschichte Rechnung trägt.

Zunächst wird die Bedeutung der Festung Olmütz im Rahmen der fortifikatorischen Entwicklung der Monarchie untersucht. Man versuchte, die bestehende und nach 1815 wiederinstandgesetzte Festung um 1840 durch vorgeschoben Außenwerke zu verstärken (Galgenberg und Tafelberg). Als 1850 die Entscheidung fiel, Olmütz zur Gürtelfestung auszubauen, war dies in erster Linie eine gegen einen von Norden einfallenden Feind, also Preußen, gedachte Maßnahme. Geplant wurde eine Lagerfestung, die eine Aufnahmekapazität von etwa 100.000 Mann haben sollte. Der Ausbau erfolgte in den 50er und 60er Jahren und kostete rund vier Millionen Gulden. Dabei wurde ein Gürtel von in Ziegel gemauerten Reduitforts gebaut, der durch die Verwendung neoromanischer Elemente Objekte von erstaunlicher architektonischer Wirkung schuf. Diese Werke sind durch einen sehr charakteristischen Halbturm mit Hof und Kehlkoffer und einen Wall mit gemauerter Eskarpe und Grabenkoffern gekennzeichnet.

Der einzige Krieg, in dem die neue Gürtelfestung Olmütz eine gewisse Rolle spielte, war der Konflikt von 1866. Die Festung wurde ausgerüstet und in Verteidigungsstand gesetzt. Aus der ursprünglich angenommenen Schlacht bei Olmütz wurde nichts; sie fand bei Königgrätz statt. Allerdings analysiert Viktořík die Auswirkungen einer Verteidigungsinstandsetzung auf das öffentliche Leben der Stadt. Nach dem Krieg gab es weitere Ausbaupläne, die aber schließlich zurückgestellt wurden. Ganz abgesehen davon wurde der Festungsstatus von ziviler Seite bereits massiv in Frage gestellt, und die Festung letztlich 1888 aufgelassen. Dem fielen allerdings in erster Linie die barocken Bastionen zum Opfer; die „neuen“ Werke überlebten die Aufhebung zum Großteil – bis heute.

Ein besonderes Kapitel widmet der Autor dem Generalmajor Emanuel Zitta, der 1831 bis 1849 Fortifikationslokaldirektor von Olmütz war und dessen Überlegungen den späteren Festungsausbau beeinflussten. Weitere Abschnitte zu den Auswirkungen der Bauverbote, der militärische Organisation, den Besatzungen und dem Routinedienst, aber auch den gesundheitlichen und hygienischen Verhältnisse in der Festung zeichnen das Bild des Alltags in einer Festungsstadt des 19. Jahrhunderts in beispielhafter Weise.

Das Buch ist gut lesbar, bietet zahlreiche Abbildungen und einen vorbildlichen wissenschaftlichen Anmerkungsapparat. In einem Anhang finden sich eine Darstellung des aktuellen Zustands der Festung, Listen der Kommandanten und Fortifikationsdirektoren und ein Register. Seitens des Rezensenten kann dieses Werk dem Festungsforscher, aber auch dem interessierten Laien nur wärmstens empfohlen werden. (WR)

Englisch Summary:
Michael Viktorik provides with his book, “Behind the Ramparts of the Fortress Town”(A contribution to everyday life, organization and establishment of the fortress town in the 19th century – using the example of the fortress Olomouc), a comprehensive look that goes far beyond the mere descriptive analysis of the elements of a fortification.

First, the importance of the Olomouc Fortress in the context of the fortification of the monarchy is examined. Various phases to reinforce the existing fortress after 1815, cumulated in the 1850s and ’60s in the construction of a detached fortification belt around Olomouc.
The only war in which the new fortification belt played a certain role was the conflict of 1866 with Prussia. The fortress was equipped and put on defence alert, but the conflict did not reach the fortress. However, Viktořík analyzes the effects of the defense alert on the city’s public life.  Apart from that, the fortress status was already massively questioned by the civilian side of the population, and finally the fortress was abandoned in 1888.
Other chapters on the effects of building bans, the military organization, the crews and the routine service, but also the health and sanitary conditions in the fortress draw the picture of everyday life in a fortified city of the 19th century.

An appendix contains a description of the current state of the fortress, lists of commanders and fortification directors, and a register.
On the part of the reviewer, this work can only be highly recommended to fortress researchers, but also to the interested layman. (WR)

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