Das Bauverbotsrayon / The restricted building area

Am 21. Dezember 1859 wurden die „Directiven über den Rayon befestigter Plätze“ in Folge Allerhöchster Entschließung erlassen.
Dieses Gesetz legte fest, dass das Terrain um ein Festungswerk bis an die Grenze des wirksamen Kanonenschusses von allen Baulichkeiten freigehalten werden musste. Dieses mit Bauverbot belegte Gelände wurde als „Bauverbotsrayon“ bezeichnet.

Der Bauverbotsrayon (BVR) gliederte sich, auf Grund der damaligen Schussweiten der Artillerie in ein “engerers” und “weiterers” Rayon. Innerhalb des “engeren” [bis 570 m (300 Klafter) vor der Befestigung], war ein absolutes Bauverbot in Kraft, während in dem “weiteren Bauverbotsrayon” [bis 1.140 m (600 Klafter)] unter bestimmten Bedingungen Bauten errichtet werden konnten.

Dem Bauwerber war die Änderung oder die Erweiterung von Gebäuden innerhalb des “weiteren” Rayons gestattet, vorausgesetzt, dass die von einer Militärkommission (Hilfsorgan war die örtlich zuständige Geniedirektion) festgelegten Auflagen beachtet wurden. Die Bewilligung erfolgte durch das Reichs-Kriegsministerium. Grundlegende Bedingung war aber, dass der Bewilligungswerber einen sogenannten „Demolierungs-Revers“ unterzeichnete und dieser im behördlichen Grundbuch eingetragen wurde. Dadurch verpflichtete sich der Gebäudebesitzer, die vom Militärärar festgelegten Auflagen auszuführen und generell, das war die schwerwiegendste Auflage, das Gebäude im Bedarfsfall ohne Entschädigungsansprüche demolieren zu lassen.

Obwohl die Direktiven für das Bauverbotsrayon grundsätzlich für alle befestigten Plätze im gesamten Reichsgebiet zu gelten hatten, kam es zu unterschiedlichen Anwendungen. So wurden die betreffenden Bestimmungen in Tirol erst ab 1894 angewendet weil sie bis dahin von den zuständigen Militärbehörden in gebirgigen Gegenden als nicht notwendig betrachtet wurden. Demnach erfolgte die Markierung des BVR im Terrain um die Sperren, beispielsweise im Zuständigkeitsbereich der GD Trient, erst ab 1896.

Diese Vorschriften bedeuteten für die Eigentümer die Auferlegung eines Servituts auf ihre Grundstücke, welches als eine Last und Abwertung des Eigentums wahrgenommen wurde. Aber auch von staatlicher Seite war man sich des Umstandes der Entwertung bewußt – so schätzte das Kriegsministerium 1912 die Abwertung der Grundstücke um die Sperren von Folgaria und Lavarone auf rund 10%. Im größeren Rahmen stellten die Bestimmungen des Bauverbotsrayon, wie z.B. bei den Festungsstädten Trient, Krakau oder Riva del Garda überhaupt eine Beschränkung der Stadtentwicklung und der Entwicklungspläne des Bürgertums dar. Tatsächlich beschränkte das BVR von Doss Trento, des Schlosses Buonconsiglio und der Noyau-Stützpunkt am Fersina 1896-1903 die Pläne für die Erweiterung der Stadt Trient nach Norden und Süden.
Im speziellen Fall von Trient konnte man – nach intensiv geführten Diskussionen – einen Kompromiss zwischen Militärbehörden und Stadtregierung erreichen. Die BVR der drei Stützpunkte des Noyaus Trient (Doss Trento, Buonconsiglio und Fersina) wurde beträchtlich verringert, und wenige Jahre später – als der Festung Trient eine mindere militärische Bedeutung zugeschrieben wurde, als Folge der neuen Südtiroler Befestigungspläne des Chef des Generalstabs Conrad von Hötzendorf – 1907 überhaupt aufgehoben. Die anhaltenden Proteste der Grundbesitzer veranlassten zum Beispiel die Abgeordneten der Volkspartei (Popolari) und der Liberalen aus dem Trentino dem Reichsrat wiederholt eine Reform des Gesetzes vorzuschlagen. Insbesondere sollte es zu einer Abschaffung des “Demolierungs-Reverses” und der Einführung eines Anspruches auf Entschädigung für die von Militärservituten belasteten Privatgrundstücke kommen (ähnliche Änderungsvorschläge wurden von mehrere Abgeordneten aus verschiedenen Kronländern, besonders aus Galizien und dem Küstenland, seit Jahren eingefordert).

Schon seit den 1870er Jahren arbeitete das Reichs-Kriegsministerium auf einer Novellierung des “Festungsrayonsgesetzesˮ, mit dem die Kritikpunkte entschärft werden sollten, jedoch kamen die diesbezüglichen Verhandlungen auf Grund der sehr divergierenden Standpunkte der beteiligten Ministerien der beiden Reichshälften nie zu einem Abschluss.
So kam es, dass die Direktive von 1859 bis zum Ende der Monarchie 1918 unverändert in Kraft blieb.

English summary:
On December 21st, 1859, the “Directives on the Rayon of Fortified Places” were issued by imperial resolution.
This regulation stipulated that the area around a fortress had to be kept free from all constructions up to the limit of the cannon firing range. This area was referred to as the “Bauverbotsrayon” (restricted construction area).

The restricted area was divided into a “inner” and “outer” perimeter due to the range of the artillery at that time. Within the “inner” [up to 570 m (300 feet) from the fortification], an absolute building ban was in force, while in the “outer” perimeter [up to 1,140 m (600 feet)] buildings could be erected under certain conditions.

The applicant was allowed to change or expand buildings within the “wider” perimeter, provided that the requirements laid down by a military commission (auxiliary body was the local genius directorate) were observed. The approval was given by the Ministry of War. The basic condition, however, was that the applicant signed a so-called “demolition reverse” which was recorded in the official land register. As a result, the building owner had to comply with the requirements imposed by the military, including the most serious one,  which required to have the building demolished if necessary without the option to claim compensation.

Although the directive had to apply in general to all fortified sites in the entire empire, it was applied differently. E.g. in Tyrol the relevant provisions were applied only from 1894 onwards, because until then, they had been considered unnecessary by the responsible military authorities in mountainous areas. Consequently the marking of the restriced construction areas around the forts in the area of Trento started only in 1896.

For the owners, these regulations were perceived as a burden and devaluation of their property. But the government was also aware of the devaluation – e.g. in 1912 the Ministry of War estimated the devaluation of the plots of land around the forts of Folgaria and Lavarone to around 10%. To a larger extent, the provisions of the restricted construction area, caused in fortress cities like Trento, Krakow or Riva del Garda, actually a restriction of the urban development.
In the special case of Trento, after a heated discussion, a compromise was reached between the military authorities and the city government. The restriced areas of the three noyaus bases (Doss Trento, Buonconsiglio and Fersina) were considerably reduced, just to be canceled completely in 1907 . Nevertheless the persistend protests by the landowners prompted the MPs (Popolari) and the Liberals from Trentino to repeatedly propose in the Reichsrat a reform of this particular regulation. In particular, the “demolition revers” should be abolished and property owner should be compensated for the loss in value.

Faced with these demands the Ministry of War had been working on an amendment of this specific legal regulation since the 1870ies, with the objective to ease the points of criticism. But the negotiations never came to an end due to the controversial positions of the ministries involved.
Thus the “Directives on the Rayon of Fortified Places”remained in force from 1859 until the end of the empire in 1918.

 

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