Archäologie und Krieg/ Archaeology and war

Meist beschäftigen sich Archäologen im Zusammenhang mit den beiden Weltkriegen vor allem mit Ereignissen und Objekten des Krieges selbst. Einige Stichworte dazu: Schlachtfeldarchäologie, Militärbauten/Gefangenenlager oder soziale Themen wie Unterernährung, Krankheit etc. Kaum jemand hat sich jedoch mit der Frage archäologischer „Zufallsfunde“ beschäftigt. Gerade diese tauchen aber in den (Militär-)Akten der Jahre 1914 und 1915 auf. In der Ausrüstungsphase und beim Ausbau einiger Festungen bzw. Brückenköpfe wurden archäologische Zufallsfunde durch schanzende k.u.k. Soldaten gemacht. So z.B. prähistorische Funde bei Skotniki/ nördlich von Krakau, auf dem Kaimberg bei Wieliczka und bei Dziekanowice (Kupferzeitliche Artefakte/Badener Kultur, verbreitet im mittleren Donauraum; benannt nach Baden bei Wien). Besonders bemerkenswert ist hier, dass selbst in Kriegszeiten solchen Funden Bedeutung beigemessen wurde und man seitens der k.u.k. Armee versuchte, mit ihnen sachgerecht umzugehen.

Aus Kobierzyn (südwestlich von Krakau) wurden bereits 1914 verschiedene Tongefäßfunde an Josef Szombathy, den Leiter der Anthropologisch-Ethnographischen Sammlung des Naturhistorischen Museums in Wien, geschickt. Etwa zur gleichen Zeit wurden bei Erdarbeiten zur Errichtung einer neuen Batterie in der Nähe des Werkes Skotniki von Oblt. Dr. Viktor Schulz und Fähnrich Karl Klein (beide 5. Fest. Art. Baon) ebenfalls archäologische Funde gemacht. Tongefäße, mehrere Bronzen und Leichenbrand aus bronzezeitlichen Gräbern wurden von dem archäologisch interessierten Fähnrich Klein ausgegraben und an Szombathy nach Wien gesandt. Fähnrich Klein berichtete wenig später weiters, dass das Zentrum des Gräberfeldes noch nicht erreicht sei.

Diese Ereignisse blieben von der Öffentlichkeit nicht unbemerkt. Die Krakauer Zeitung „Die Korrespondenz“ berichtete im Jänner 1915, dass bei Erdarbeiten ein prähistorischer Friedhof und zahlreiche Gegenstände (aus der Bronzezeit) entdeckt worden seien, die von einem Militärangehörigen nach Wien geschickt worden seien, die weiteren Arbeiten aber von einem Beauftragten der dortigen Akademie der Wissenschaften durchgeführt werden sollten. Es wurde auch festgehalten, dass die ausgegrabenen Gegenstände dem Technischen Museum der Stadt [Krakau] übergeben werden sollten. Man wolle Schritte unternehmen, um einen Teil der nach Wien gelangten Gegenstände wieder zurückzubringen.

Klein berichtete Szombathy auch über den Besuch des Festungskommandanten FML Kuk auf dem Grabungsgelände und übersandte zwei Zeitungsartikel, die darüber informierten, dass nun ein Schutzkomitee gebildet worden sei. In einem der Artikel wurde der Sappeur Hauptmann Rudolf Schlögl (Sappeur Baon 2) hervorgehoben, der als erster die Bedeutung der Fundstelle erkannt hatte. Man war sich also der Bedeutung der prähistorischen Fundstelle bewusst.

Szombathy berichtete nun seinen Vorgesetzten, dass sechs Kisten Ausbeute nach Wien geschickt worden seien und der pekuniäre Wert (!) etwa 400-500 Kronen betrage. Er halte eine Nachgrabung in Friedenszeiten für notwendig und hoffe, dass das Hofmuseum damit betraut werde. Er räumte jedoch ein, dass ein angemessener Teil der Funde dem örtlichen Museum in Krakau übergeben werden müsse. Das Oberstkämmereramt bestätigte schriftlich, dass das Hofmuseum die Geschenke des Fähnrichs Klein annehmen könne und bot an, sich mit dem Kriegsministerium wegen weiterer Grabungen in Verbindung zu setzen. Szombathy blieb mit Klein in Kontakt, bezeichnete die Zeitungskommentare als eifersüchtig und lobte Kleins einwandfreies Vorgehen.
Schließlich berichtete Klein von einem weiteren Gräberfeld auf dem Kaimberg bei Wieliczka, das älter sein müsse.Auch diese Fundstelle wurde aufgenommen, weitere Grabungen aber vorerst untersagt.

Im April 1915 erklärte Szombathy, dass sowohl in Skotniki als auch auf dem Kaimberg Nachgrabungen von polnischer Seite bekämpft würden. Der neue Obmann des Polenklubs, Leon Ritter von Bilinski (1912-1915 Finanzminister Österreich-Ungarns), wandte sich in dieser Angelegenheit an den Vizepräsidenten der Zentralkommission für Denkmalpflege Lanskoronski mit der Bitte, den Grabungsabsichten des Hofmuseums nicht zuzustimmen. Die Verhandlungen wurden allmählich zu einem Politikum, bis schließlich das Oberstkämmereramt der Krakauer Akademie mitteilte, dass das Hofmuseum nicht auf einer Weiterführung der Grabungen bestehe. Damit wurden die „Grabenkämpfe“ um die Zuständigkeiten von höherer Stelle beendet.

Später wurde in Wien Josef Weninger mit der Publikation der Funde beauftragt, die 1915 in der Wiener Prähistorischen Zeitung erschienen.Weitere Stichgrabungen auf dem Gräberfeld konnten von der Krakauer Akademie erst nach Freigabe durch das k.u.k.Festungskommando im Herbst 1917 durchgeführt und 1920 publiziert werden.

Ebenfalls im Frühjahr 1915 wurden in Gneixendorf bei Ausrüstungsarbeiten am Donaubrückenkopf Krems und im Bereich der Festung Trient ähnliche Funde gemacht.Bei Schanzarbeiten wurden Pfeilspitzen, Urnen, Skelettfunde und eine eiserne Lanzenspitze bei Gneixendorf und Skelettgräber (völkerwanderungszeitlich etc.) in der Umgebung von Trient gefunden.
Szombathy beantragte beim Oberstkämmereramt die Zuweisung der Funde an das k.k. Hofmuseum und bei der k.u.k.Geniedirektion in Trient, Oberleutnant Dr. Josef Bayer (ab 1919 Leiter der Anthropologisch-Ethnographischen Abteilung des Hofmuseums) mit der Untersuchung des Fundortes zu betrauen. Dazu liegt ein Schreiben des Oberstkämmereramtes an das Kriegsministerium vor, wonach die Behandlung der Funde gemäß der amtlichen Note [sic] von 1914 in die Wege zu leiten sei. Abgesehen von gelegentlichen Veröffentlichungen über einzelne Funde wurden jedoch keine weiteren wissenschaftlichen Untersuchungen durchgeführt.
(Gastautorin: Ingrid Mader)

English summary:
During World War I, Austrian soldiers unexpectedly discovered archaeological artifacts while constructing fortifications. These accidental finds from sites near Krakow, such as Skotniki and Kaimberg, included Bronze Age graves and Copper Age artifacts. Despite wartime, the Austro-Hungarian military recognized the importance of these discoveries and collaborated with archaeologists like Josef Szombathy from Vienna’s Natural History Museum.

Lieutenant Karl Klein played a key role, unearthing and sending artifacts to Vienna. His actions gained public attention, with local newspapers reporting the discoveries and calling for their preservation in Krakow. Disputes arose over artifact custody between Vienna’s Hofmuseum and Krakow’s institutions, reflecting broader political tensions. Eventually, the Hofmuseum conceded to local claims.

Additional finds occurred in Gneixendorf, near the Krems Danube bridgehead, and around the fortress of Trient. In Gneixendorf, digging revealed arrowheads, urns, skeletal remains, and an iron lance tip. Near Trient, skeleton graves from the Migration Period were uncovered. Szombathy sought to secure these artifacts for the Hofmuseum and proposed further research, but extensive scientific studies never materialized. Most finds were only briefly documented or mentioned in occasional reports.
(guest author: Ingrid Mader)

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